ISEE-3 Reboot Project

Partial image Credit: NASA

Bericht über den Vortrag

Die Folien des Vortrags gibt es hier zum Download (PDF 7 MB)

Am 26. November füllte sich der kleine Vorlesungssaal HG D 3.2 gegen 19.15 Uhr. Vom ETH Studenten bis zum interessierten Funkamateur aus fast jeder Altersgruppe konnte vorgefunden werden. Ihr gemeinsames Ziel: Sie wollten dem Vortrag von Achim Vollhardt (Physiker an der UZH) über das ISEE-3/ICE Reboot Project beiwohnen. Hier eine kurze Zusammenfassung des Vortrags.

 

Geschichte der ISEE-3/ICE Raumsonde

Die ISEE-3 startete im August 1978 ihre Reise ins All, drei Monate später kam sie an ihrem ersten Missionsziel an: Dort, wo sich die Anziehungskräfte der Sonne und der Erde gerade aufheben, im Lagrangepunkt 1, soll die Sonde die Magnetfelder der Sonne und der Erde untersuchen. Diese Aufgabe gab der Sonde ihren ersten Namen: **I**nternational **S**un **E**arth **E**xplorer Nummer 3.

1982 wurde die Sonde vom Lagrangepunkt 1 wegbewegt. Nach mehreren Manövern und Swing-bys (siehe Bild) verliess sie 1983 das Erdschwerefeld. Da die ISEE-3 zwei Jahre später dem Kometen Giacobini-Zinner sehr nahe war, bekam sie eine neue Mission und einen neuen Namen: **I**nternational **C**ometary **E**xplorer. Die ICE soll nun das Plasma des Schweifs von Giacobini-Zinner untersuchen. Ein Jahr später flog ICE am Halleyschen Kometen vorbei, war aber zu weit weg, um nützliche Daten zu liefern.
1986 fand die letzte Kurskorrektur statt, damit die Sonde wieder zum Erde-Mond-System zurückkehren kann. Dies soll nach damaligen Berechnungen am 10. August 2014 der Fall sein.

Einige Jahre später, ab 1990, unterstützte die ISEE-3/ICE die Ulysses Mission bei der Beobachtung der Sonneneruptionen.

Nach knapp 20 Jahren im All wurde der Telemetrie-Modulator der ISEE-3/ICE abgeschaltet, das Trägersignal wurde für Radiotests stehen gelassen. 1997 wird die Mission offiziell als beendet erklärt. 2008 fand das letzte Tracking durch die NASA statt, womit die Flugdaten überprüft wurden.

Nachweis der Sonde

Moment. 2014? Das war ja dieses Jahr! Obwohl sich die NASA heute nicht mehr wirklich für die Sonde interessiert, ging sie nicht ganz vergessen. Ein Team von Amateurfunkern und Weltraumbegeisterten schaute im März diesen Jahres, ob die ISEE-3 wirklich in der Nähe ist. Wenn das Trägersignal noch sendet, sollte es auf der Erde empfangen werden können. Und siehe da: Dank der Zusammenarbeit mit der Sternwarte Bochum konnte das Signal der ISEE-3 tatsächlich empfangen werden.

Kontaktaufnahme

Nun dachten sich die Funkamateure, dass es doch cool wäre, wenn mit der Sonde Kontakt aufgenommen werden könnte. So wurde die NASA kontaktiert, die nach einigem Hin und Her das Vorhaben tatsächlich absegnete – unter der Voraussetzung, dass es von US-Amerikanern durchgeführt werden musste. Dies, weil die Daten, die zur Sonde gehören, unter das Amerikanische Waffengesetz fallen und nicht in fremdländische Hände gelangen darf.

Mit amerikanischer Hilfe also, wurden die Unterlagen zur Sonde studiert und ausgerechnet, wie viel Sendeleistung für eine Kontaktaufnahme nötig wäre. Die berechnete Sendeleistung überstieg die Möglichkeiten der Sternwarte Bochum. Das Problem wurde unter Anderem dadurch gelöst, dass die Antenne vergrössert wurde. Das zweitgrösste zusammenhängende Radioteleskop der Welt steht etwas südlich von Arecibo, in Puerto Rico. Sie dürfte einigen Lesern aus dem James Bond-Streifen «Goldendeye» bekannt sein. Arecibo war nun also auch mit im Boot, nun fehlte nur noch der passende Sender. Dieser wurde von einem deutschen Amateurfunker im Eigenbau hergestellt.

Die Freude war gross, als die Sonde schliesslich kontaktiert werden konnte. Sensoren wurden wieder eingeschaltet und ausgetestet. Einigen davon funktionierten einwandfrei, andere leider nicht mehr. Festgestellt wurde unter anderem, dass ein Solarpanel nicht mehr die volle Leistung erbringen konnte und wohl beschädigt ist. Treibstoff war noch vorhanden. Der Antrieb der Sonde besteht aus acht Hydrazin-Tanks, die mit Hilfe von Stickstoff unter Druck aus den Triebwerken gelassen wird. Durch den Druckabfall dissoziiert das Hydrazin schlagartig.

Als nächstes wurde versucht, die Eigenrotation der ISEE-3 zu korrigieren. Der Sollwert dieser lag bei 19.75 Umdrehungen pro Minute, tatsächlich drehte sich die Sonde mit 19.16 Umdrehungen pro Minute. Zu dieser Korrektur waren 11 Antriebs-Pulse nötig. Nach 11 Pulsen: Tadaa! Die Sonde dreht sich nun mit 19.76 rpm.

Das nächste Ziel war nun, die Sonde in den Erdorbit zu bringen. Dies sollte mit Hilfe eines Vorbeiflugs am Mond in etwa 50 km Höhe geschehen, wo Schwung abgegeben werden sollte.

Die Kurskorrektur sollte mit 400 Pulsen geschehen. Da die ISEE-3 keinen Boardcomputer besitzt, kann sie pro Mal maximal 63 Pulse durchführen. Man wird also mehrere Male den Befehl durchgeben müssen. Hier begannen nun die Probleme: Die ersten Pulse zeigten seine Wirkung, bei den darauf folgenden passierte nichts mehr. Dasselbe wiederholte sich für andere Triebwerke. Mit den Worten des Referenten Achim Vollhardt: Es war, als öffne man eine alte Mineralwasser-PET-Flasche: Es macht einmal PFFT! und dann ist der ganze Druck weg.

Vermutlich war nicht mehr genügend Stickstoff in den Triebwerken, also hatte es nicht mehr ausreichend Druck, um alle Pulse durchführen zu können.
Die Bahnkorrektur der Sonde konnte also nicht wie geplant durchgeführt werden. Statt 50 km vor dem Mond flog die ISEE-3 nun hinter dem Mond durch. Um trotzdem noch etwas von der ISEE-3 zu haben, wurden alle noch funktionierenden Messinstrumente eingeschaltet, als die Sonde den Mond passierte. Etwa einen Monat später wurde die Sonde das letzte Mal gehört. Vermutet wird, dass der Strom auf der Sonde ausgefallen ist (die Batterie funktioniert nicht mehr) und die Sonde deshalb in den Safe-Mode gewechselt hat und alle Sender ausgeschaltet hat. Nun wartet sie wohl darauf, wieder eingeschaltet zu werden.

Trotz allem hatte die Kurskorrektur doch sein Gutes: Die ISEE-3/ICE wird in sieben Jahren wieder zur Erde zurückkehren.

Ankündigung ISEE-3 Reboot Project

Eine internationale Gruppe von Funkamateuren und Forschern übernimmt die Kontrolle über eine 36 Jahre alte, längst aufgegebene Sonde der NASA und nutzt sie für wissenschaftliche Zwecke. Mittendrin ist Achim Vollhardt HB9DUN/DH2VA, Physiker an der Universität Zürich. Das bisher einmalige Projekt ging um die Welt. Nun berichtet Achim über das sogenannte ISEE-3 Reboot Project im Rahmen eines Referats bei HB9ZZ. Der Vortrag findet am Mittwoch, 26. November 2014 um 19:15 im Hauptgebäude der ETH Zürich Raum HG D 3.2 statt und steht allen Interessierten offen.

Fast 40 Jahre ist es her, dass die ursprünglich International Sun/Earth Explorer 3 (ISEE-3) genannte Sonde ins All startete, um den Sonnenwind und dessen Auswirkungen auf das Magnetfeld der Erde zu untersuchen. Bereits 4 Jahre später wurde das Gemeinschaftsprojekt von NASA und ESA für die Erforschung des Halleyschen Kometen herangezogen und in International Cometary Explorer (ICE) umbenannt. 1997 wurde auch diese Mission offiziell für beendet erklärt und die Sonde damit bis auf vereinzelte Kontaktversuche de facto aufgegeben.

Als sich abzeichnete, dass ISEE-3/ICE im Sommer 2014 so nah an der Erde vorbei fliegen würde wie nie zuvor, setze sich ein internationales Team aus begeisterten Forschern und Funkamateuren zusammen und beschloss, den Kontakt zur Sonde wiederherzustellen, um sie daraufhin in einen erdnahen Orbit bringen zu können. Zu dieser Zeit hatte die NASA jedoch aus finanziellen Gründen die Transmitter zur Kommunikation mit der ausrangierten Sonde längst abgeschaltet. Neben der passenden Kommunikationsinfrastruktur mussten die Forscher auch für die Steuercodes der Sonde sorgen. Ohne diese normalerweise strenggeheimen Daten der NASA ist es nicht möglich, Befehle an die Sonde zu senden und sie somit zu steuern. In einem bisher einmaligen Prozess übergab die NASA den Wissenschaftlern die Steuerungsdaten und segnete das Projekt somit ab. Gleichzeitig dazu sammelte die Gruppe Geld via Crowdfunding, durchstöberte die Archive nach längst vergessenen Unterlagen und schaffte es letztendlich, die Kontrolle über die Raumsonde zu übernehmen.

Das Projekt erfuhr ein starkes mediales Interesse. In der Schweiz berichtete unter anderem der Tagesanzeiger.

In seinem Vortrag stellt Achim zuerst die ursprüngliche Mission vor, und beschreibt die Entwicklung des ISEE-3 Reboot Projects von der anfänglichen Idee über den aktuellen Stand des Projekts, hin zu den künftigen Erwartungen. Als Insider weiß Achim bestens über die Höhen und Tiefen der Zusammenarbeit mit den Gruppen in den USA und Deutschland sowie dem Kontakt zur NASA zu berichten. Neben den organisatorischen Aspekten kommen auch die technischen Aspekte sowie der wichtige Beitrag der Funkamateure zum Gelingen des Projekts nicht zu kurz. Nach dem Vortrag gibt es die Gelegenheit zur Diskussion im Plenum. Im Anschluss offerieren wir einen kleinen Apéro für die Teilnehmer, um die Gespräche in geselliger Runde fortsetzen zu können.

Die Artikel erschienen ebenfalls im Blitz im HS14.